Musik und Impro
Charlotte Cordes
Geballte Kreativität durch Impro, Musik und die Provokative SystemArbeit (ProSA)®
Impro macht süchtig. Deshalb spiele ich seit vielen Jahren Improvisationstheater. Impro, eine Droge, die nichts kostet und nur angenehme Nebenwirkungen hat. Ich spiele immer noch.
Was ist Improvisationstheater?
Beim Improvisationstheater ist alles improvisiert. Nichts ist einstudiert. Keiner auf der Bühne weiß zu Beginn, welche Art von Geschichte entsteht, welche Charaktere darin vorkommen, welche Wendungen sie nimmt und wie sie endet. Damit während des Improvisierens kein Chaos entsteht, ist Zusammenarbeit und gegenseitiges Wohlwollen gefragt. Nur wenn alle Spieler auf der Bühne aufeinander achten und sich gegenseitig inspirieren, können runde Geschichten entstehen. Das schweißt zusammen und macht kreativ. Die Konzentration verlagert sich WEG von den eigenen Ängsten HIN zum Umfeld: Was machen die Mitspieler? Welche Stimmungen kommen vom Pianisten? Wie reagiert das Publikum? Angst reduziert sich auf ein Minimum, und es entsteht geballte Kreativität. Suchtfaktor garantiert. Damit das alles funktioniert, ist es essentiell, dass die Spieler im Hier und Jetzt sind, also wirklich wahrnehmen, was auf der Bühne passiert und sich nicht in ihrem Plan-Hirn befinden. Denn wenn mehrere Menschen gleichzeitig einen Plan verfolgen, sind sie nur bei sich, hören nicht mehr zu und die Teamarbeit geht den Bach hinunter. Die Folge: Verkrampfung und Angst nehmen zu.
Was passiert beim Singen?
Noch stärker gelten diese Prinzipien fürs Singen. Wer Angst hat, kann nicht singen. Dem schnürt es im wahrsten Sinne des Wortes den Hals zu, und es kommt entweder gar nichts oder nur schiefe, schräge oder leise Töne heraus. Denn die Stimme reagiert sehr sensibel auf Stress und Druck. Sobald die Angst überhand nimmt, ist Schluss. Dabei macht Singen ohne Angst unglaublich glücklich, auch wenn man kein Opernsänger oder Popstar werden möchte. Leider singen die wenigsten Leute wirklich gerne – höchstens alleine in der Dusche oder im Auto. Aber kaum jemand fühlt sich wohl, wenn andere Menschen zuhören.
Forscher haben sogar herausgefunden, dass Singen nicht nur glücklich macht, sondern auch klug, weil dabei irgendwelche Synapsen im Hirn neu vernetzt werden. Ich kann das bestätigen, jedenfalls das mit dem Glück. Wenn ich singe, bin ich glücklich. Auch wenn ich
vorher ausgelaugt und lustlos war, beginnen die Glückshormone durch meinen Körper zu fließen, sobald ich den ersten Ton singe. Ob ich durch Singen auch intelligenter werde oder geworden bin? Keine Ahnung. Fragen Sie mein Umfeld.
Ich bin heute sehr froh, dass mir nie jemand eingeredet hat, dass ich unmusikalisch bin und nicht singen kann, sondern dass ich Eltern, Geschwister, Lehrer und Freunde hatte, von denen ich meist das Feedback bekommen habe, dass ich eine schöne Stimme habe. Leider passiert oft das Gegenteil. Die Folge sind haufenweise Menschen, die denken, dass sie keinen Ton treffen können. Eine Freundin von mir musste z.B. in der Grundschule vor der ganzen Klasse ein Lied vorsingen. Vor lauter Angst sang sie falsch, die Mitschüler lachten sie aus und der Lehrer gab ihr auch noch eine schlechte Note, versehen mit dem Kommentar, dass sie wohl andere Talente hätte als das Singen. Bis heute denkt sie, dass sie nicht singen kann. Wenn ich ihr allerdings zuhöre wie sie meinen Kindern Lieder vorsingt, kann ich das nicht nachvollziehen. Aber das Trauma sitzt.
Wenn ich SeminarteilnehmerInnen frage, vor was sie den größten Respekt haben, wenn sie auf die Bühne gehen, sagen die meisten neben „Theater spielen“ nur „Singen“. Singen ist tatsächlich etwas sehr Intimes. Man steht quasi nackt vor dem Publikum und öffnet sich seinen ZuhörerInnen viel stärker als nur beim Sprechen. Dadurch steigt die eigene Emotionalität und Verletzlichkeit. Das macht gleichzeitig die Angst UND die Stärke dieses Instrumentes aus. Die dadurch entstandenen wahrhaftigen Emotionen können einen selbst und andere stark berühren.
Die Verbindung von Impro und Musik
Seit einigen Jahren biete ich neben vielen anderen Workshops zusammen mit Florian Schwartz Seminare an, die Improtechniken mit Musik verbinden. In einer dieser Seminare wollte ich demonstrieren, wie es ist, wenn man sich einfach von der Musik treiben lässt und irgend etwas singt, was einem gerade einfällt – ein kleines improvisiertes Solo sozusagen. Florian begann, eine Melodie am Klavier zu spielen, und ich fing an zu singen. Aus mir heraus kam ein Lied über eine demente alte Frau. Es war kurz, ganz einfach strukturiert und entstand spontan. Nach ein paar Sätzen schluchzte plötzlich ein Seminarteilnehmer laut auf. Er hatte gerade eine ähnliche Erfahrung mit diesem Thema hinter sich und war durch das Lied berührt worden. So etwas kann passieren, v.a. durch Musik, nicht nur im Negativen, sondern natürlich auch im Positiven. Bei einer Impro-Show improvisierten wir ein Lied, und das ganze Publikum fingt spontan an, den Refrain
mitzusingen. Als die Show zu Ende war, und das Publikum aus dem Theatersaal strömte, fingen einige der Zuschauer an, den Refrain wieder aufzugreifen. Andere folgten. Das Ergebnis war, dass ein gutgelauntes Publikum singend das Theater verließ und den Heimweg antrat. Berauschend für alle Beteiligten. Auch für uns.
Ein solches Emotionalisieren gilt nicht nur fürs Singen, sondern für Musik im Allgemeinen. Man stelle sich nur einmal Filme vor, in denen keine Musik im Hintergrund zu hören ist. Auch wenn wir die Musik, die an dramatischen, lustigen, romantischen oder traurigen Szenen nebenbei gespielt wird, oft bewusst gar nicht wahrnehmen, wäre ein Film ohne diese Musik nur ein halber Film. Auch auf der Impro-Bühne ist das so. Ohne unseren Pianisten wären die Shows nicht vollständig. Es muss dabei nicht unbedingt ein Klavier sein. Es kann jedes Instrument sein, das Geräusche macht. Musik – egal welche – inspiriert Szenen auf unglaubliche Art und Weise. Am deutlichsten wird das, wenn der Musiker ausfällt und kein Ersatz zu finden ist.
Grundidee unserer Musik-Seminare ist immer: Wie kriege ich Anfänger wie Gesangserfahrene möglichst schnell und angstfrei zum improvisierten Singen? Und meistens werden die Teilnehmer bereits am ersten Tag mutiger als sie erwartet hatten. Sie singen mit viel Spaß und sehen sehr glücklich dabei aus. Wir dachten bei unseren ersten Seminaren, dass das mit dieser speziellen Gruppe zusammenhängen würde, aber beim nächsten Mal mit völlig anderen Leuten, war es wieder so. Und das ging so weiter. Seitdem versuche ich, das Element der Musik bzw. des Singens immer mehr in alle meine Impro-Seminare einfließen zu lassen.
Musik hilft uns, sehr schnell Gefühle zu aktivieren. Beim Improvisationstheater gibt eine Musikuntermalung jeder Szene sofort eine Emotion, die sich auf die Spieler überträgt, und sie mitnimmt, weg vom Kopf rein in den Bauch. Die Beteiligten denken in dem Moment weniger darüber nach, wie die Geschichte weitergehen könnte, sondern sind in der Lage, sich einfach treiben und die Geschichte entstehen zu lassen. Und das ist gut. Es gibt nichts Schlimmeres als verkopftes Improvisationstheater, bei dem die Zuschauer merken, wie sehr sich die SpielerInnen anstrengen müssen, eine Geschichte rund zu bekommen. Diese Anstrengung überträgt sich schnell auf das Publikum. Und niemand sitzt gerne angestrengt im Theater und hofft, dass die Darsteller es auf der Bühne unbeschadet überstehen. Man möchte entspannt genießen und mitfiebern. Wenn die Charaktere auf der Bühne selbst Emotionen haben und sich mit den anderen Figuren über Emotionen
miteinander verbinden, passiert etwas in der Beziehung zwischen den Figuren und die Geschichte wird automatisch und ohne große Anstrengung rund. Kreativität entsteht dann wie von selbst.
Die Basis für Kreativität: Die Lust am Scheitern
Die wichtigste Grundlage für jede Art von Kreativität steckt in dem Impro-Grundsatz „stay happy when you fail“ oder „Die Lust am Scheitern“. Diesen Grundsatz habe ich zum ersten Mal bei Keith Johnstone gehört. Er und das Prinzip, das hinter „Der Lust am Scheitern“ steckt, haben mein weiteres Leben stark geprägt.
Keith Johnstone entwickelte in den 50er und 60er Jahren, während seiner Zeit als Dramaturg am Londoner Royal Court Theater, Schauspielübungen, die die spätere Grundlage für das Improvisationstheater wurden. Er erfand diese Techniken, da er aufgrund des auf ihm lastenden Erfolgsdrucks seine Kreativität zu verlieren drohte. Die Übungen, die ursprünglich nicht für die Bühne gedacht waren, sollten ihm helfen, wieder Zugang zu seinen kreativen Potentialen zu finden. Einer der wohl wichtigsten Grundsätze, die ihm dabei halfen, seine Ängste und Blockaden zu überwinden war „stay happy when you fail“ oder „Die Lust am Scheitern“.
Was bedeutet das konkret? Wir alle sind es gewohnt, uns zu ärgern, wenn wir Fehler machen. Wir holen die innere Peitsche heraus und richten sie gegen uns. Allerdings hilft uns das nicht wirklich weiter, sondern bringt Ärger, blockiert uns und zerstört jede Art von Kreativität. Denn sobald wir uns ärgern, sind wir nur noch bei uns und bei dem Problem, das uns nervt. Für alles andere bleibt keine Energie mehr übrig. Lebt man die Lust am Scheitern, hat das v.a. in solchen Stress-Momenten Entspannung zur Folge. Man fängt an, über sich und seine eigenen Stolpersteine zu lachen und sie nicht zu ernst zu nehmen. Die Folge: Es passieren viel weniger Fehler und die Kreativität steigt.
Um die Lust am Scheitern tatsächlich im Alltag umzusetzen, ist es wichtig, sich nicht auf das zu konzentrieren, was einem Angst macht. Beim Impro spielen heißt das konkret: Konzentrieren Sie sich nicht darauf, dass Sie gerade auf einer Bühne stehen, sondern auf andere Dinge, die um Sie herum stattfinden, z.B. auf den Mitspieler, auf das Publikum, auf eine Spielstruktur, o.ä.
Diese Konzentrationsverlagerung auf Angebote von außen wird beim Impro spielen ständig geübt. Seit ich selbst dieser Theaterform verfallen bin, hat meine Angst, vor
Publikum Vorträge und Seminare zu halten, zu singen oder Theater zu spielen, rapide abgenommen. Egal, ob es etwas Einstudiertes oder Improvisiertes ist, ich bin in der Regel so entspannt, dass mich selbst Missgeschicke auf der Bühne nicht mehr großartig irritieren, und ich meist schnell darüber lachen kann.
Ein Beispiel: Ich hatte gerade eine Übung mit SeminarteilnehmerInnen zum Thema Lust am Scheitern gemacht, bei der ich Punkte von zwei verschiedenen Gruppen zusammenzählen musste. Dabei verzählte ich mich unsäglich und merkte es nicht einmal. Infolgedessen kürte ich die eigentliche Verlierergruppe zum Gewinner. Den TeilnehmerInnen fiel das natürlich auf. Als sie mich auf meinen Fehler aufmerksam machten, musste ich lachen und sagte: „Mathe konnte ich noch nie. Tut mir leid. Kann jemand anders für mich die Punkte zusammenzählen?“ Alle entspannten sich. Wenn ich versucht hätte, meinen Fehler zu vertuschen, wäre der Schuss nach hinten los gegangen. Meine Anspannung hätte sich auf die SeminarteilnehmerInnen übertragen und die Stimmung wäre verkrampft geblieben. So konnte ich entspannt weitermachen.
Wenn wir auf der Impro-Bühne feststellen, dass eine Szene den Bach hinunter geht, gelingt es uns inzwischen meistens, diverse Desaster mit Humor zu nehmen. Wir entscheiden uns in solchen Momenten entweder dafür, etwas Neues zu spielen oder wir machen den Fehler zum Szeneninhalt – nach dem Motto „Find the Game“. Ein konkretes Beispiel: Einer unserer Spieler sollte eine wichtige Impro-Show moderieren. Er hatte sich den Ablauf der Moderation auf Karten geschrieben und kam am Anfang der Show auf die Bühne. Durch eine Unachtsamkeit fiel ihm die eine Hälfte der Moderationskarten herunter und landete in einem großen Durcheinander auf dem Boden. Er reagierte ganz im Sinne von Lust am Scheitern: Statt sich zu ärgern und zu verkrampfen, warf er die andere Hälfte der Karten lachend auf den Boden und sagte: Na, dann mach ich die Moderation eben einfach frei. Tosender Applaus aus dem Publikum. Entspannung bei ihm und eine sehr charmante Moderation waren die Folgen.
Nobody is perfect. Wenn wir vor lauter Angst, Fehler zu machen, nichts mehr wagen (wie z.B. ein Seminar halten, Impro spielen oder was auch immer), würden wir noch heute wie Affen auf den Bäumen sitzen und warten, dass uns neue Dinge in den Schoss fallen.
Impro und Provokative Systemarbeit (ProSA)®
Als ich 1999 begann, Improvisationstheater zu spielen, merkte ich sehr schnell, dass die Philosophie und Techniken, die für gutes Improvisationstheater verantwortlich sind, für alle Bereiche gelten, in denen Menschen produktiv miteinander kommunizieren möchten und müssen. Dazu gehören neben dem Mitarbeitergespräch, dem Small-Talk auf einer Party, dem Krisengespräch mit dem Chef oder dem anstrengenden Gerede mit der Schwiegermutter, auch die Kommunikationsweise zwischen Therapeut, Berater, Coach und Klient beim Provokativen Arbeiten.
Die Provokative Vorgehensweise ist eine von Dr. E. Noni Höfner aus der Provokativen Therapie nach Frank Farrelly entwickelte Kommunikationsform, die nicht nur in Therapie, Beratung und Coaching eingesetzt werden kann, sondern in jeder Art von feststeckender Kommunikation. Bei der provokativen Vorgehensweise erreicht man als Berater durch liebevolles und humorvolles Provozieren schnell die Emotionen des Klienten und bewirkt dadurch rasche Veränderungen in seinem Verhalten gegen seine eigene Selbstschädigung.
Für die provokative Vorgehensweise gilt das Gleiche wie für gutes Improvisationstheater – mit oder ohne Musik: Mitspieler, Publikum und Klienten können nur erreicht werden, wenn die Emotionen beteiligt sind. D.h. nur, wenn man als Therapeut, Berater oder Coach Bilder und Ideen entwickelt, die den Klienten emotional erreichen, besteht eine Chance auf Veränderung. Erreicht man nur seine Ratio, passiert gar nichts. Der Klient wird in seinem Verhalten nichts anders machen als vorher, auch wenn er die ganze Sitzung lang fleissig genickt hat.
Bilder, die den Klienten emotional erreichen, kann ich auch beim Provokativen Ansatz nur entwickeln, wenn ich den Klienten und die Angebote, die von ihm kommen, wahrnehme. Erst dann kann ich damit spielen und liebevoll provozieren – wenn man provokativ arbeiten möchte, die essentielle Voraussetzung für Erfolg. Fehlt das Liebevolle, werden die Provokationen zynisch und ätzend und bewirken nur, dass der Klient sauer wird oder sogar aufsteht, geht und nicht mehr wiederkommt. Wie beim Impro kann ich die Angebote vom Klienten nur, dann wahrnehmen wenn ich mich nicht auf mich selbst konzentriere, also darauf, schlagfertige provokative Ideen haben zu müssen, sondern meinen Fokus auf das Gegenüber – in dem Fall den Klienten – richte. Ganz wichtig sind dabei seine oder ihre nonverbalen Signale wie Mimik, Gestik und Körpersprache. Um vieles wichtiger als das gesprochene Wort, das oft vom eigentlichen Problem ablenkt.
Da Noni Höfner meine Mutter ist und Frank Farrelly seit ich ca. 12 Jahre alt war regelmäßig bei uns zu Besuch war, wenn er Seminare in Deutschland hielt, war es naheliegend, dass ich irgendwann auch Lust bekommen würde, mit dem Provokativen Ansatz zu arbeiten. Es wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Es ging dann schneller als ich dachte, dass ich ins kalte Wasser geworfen wurde. Noni sagte vor einigen Jahren zu mir: „Ich habe eine Seminaranfrage für ein Seminar. Zu dem Termin kann ich leider nicht. Deshalb dachte ich, dass du das machst. Das kannst du schon. O.K.? Es wäre doch schade, wenn wir den Auftrag nicht annehmen.“ Schluck.
Ich hatte zu dem Zeitpunkt neben meiner Impro-Bühnenerfahrung schon jahrelang Seminare für die unterschiedlichsten Zielgruppen gehalten, schwerpunktmässig zum Thema Impro. In den Seminaren werden Improtechniken vermittelt und mit der beruflichen Praxis der TeilnehmerInnen verknüpft. Es werden viele Übungen gemacht, die an die emotionale Intelligenz anknüpfen und viel Spaß machen. Darüber hinaus wird der kognitive Rahmen hergestellt, der den Transfer der Erkenntnisse in die Welt außerhalb des Seminars gewährleistet. Außerdem bekommen die TeilnehmerInnen eine Reihe von Werkzeugen an die Hand, die sie gleich selbst in Gruppen einsetzen können. Das funktioniert sehr gut und macht allen Beteiligten (inkl. mir) viel Spaß und ist auch immer ein bißchen aufregend für alle Beteiligten. Impro eben. Man weiß nie, was kommt.
Jetzt hatte ich also ein zweitägiges provokatives Seminar vor mir, das ich selbst halten sollte. Puuh. Das war doch etwas anderes als „nur“ damit aufgewachsen zu sein. Ich erinnerte mich in dem Moment an meine ersten Impro-Seminare, in die ich auch mehr oder weniger unfreiwillig hinein geraten war. Das erste, das ich allein hielt, kam nur zustande, weil mein damals viel erfahrener Kollege keine Zeit hatte. Ich musste also alleine durch. Deshalb hoffte ich, dass es auch dieses Mal so gut laufen würde wie damals. Schwitzend fuhr ich zum Seminarort und war gespannt. Ich hatte vor allem Angst vor den Live-Arbeiten, die ein wesentlicher Bestandteil unserer ProSt®-Seminare sind. Bei einer Live-Arbeit demonstrieren wir unsere Arbeit anhand eines Teilnehmers bzw. einer Teilnehmerin und einem echten eigenen Problem, das diese Person gerade hat. Wir arbeiten mit diesen „Klienten“ für ca. 15 Minuten provokativ im Plenum, also vor allen SeminarteilnehmerInnen. Auch eine Herausforderung und etwas ganz anderes als im stillen Kämmerchen ein provokatives Einzelcoaching zu machen. Ich hatte fest vor, mich
vor den Live-Arbeiten zu drücken. Falsch gedacht. Die TeilnehmerInnen zwangen mich indirekt dazu. Sie belagerten mich so lange, bis ich einwilligte. Ich war in leichter Panik, aber ging das Risiko ein, vor versammelter Mannschaft zu versagen. Gott sei Dank lief die Demo super, und ich bin den TeilnehmerInnen unendlich dankbar, dass sie mich dazu genötigt haben. Heute, viele Live-Arbeiten später, habe ich keine Angst mehr davor, auch wenn manche besser laufen als andere. Eine Live-Arbeit ist wie eine Impro-Szene. Keiner der Beteiligten weiß vorher, was alles passieren wird, aber wenn man aufmerksam bleibt, ist man in der Lage, alle Angebote wahrzunehmen und ganz entspannt damit zu spielen – und natürlich auch humorvoll zu versagen. Egal. Lust am Scheitern eben.
Fazit
Ich liebe Impro und alles, was damit zusammenhängt. Wer regelmäßig Impro spielt, dem fällt es leichter, entspannt und angstfrei zu singen oder provokativ zu arbeiten. Man kann fast sagen, dass Impro die Basis ist, kreativer zu werden, egal in welchen Lebensbereichen. Impro kann süchtig machen. Ich bin es seit Jahren und hoffe, ich kann noch viele Menschen mit meiner Begeisterung für dieses Metier anstecken, mit allem, was dazu gehört.